Sehbehinderung Brailleschrift

Sehbehinderung Teil II

Hilfsmittel und Trainings

Für Menschen mit Sehbehinderung gibt es neben tierischen Begleitern (dem Blindenhund) eine Vielzahl an Hilfsmitteln, die die Betroffenen unterstützen ihren Alltag eigenständig zu meistern. Im Folgenden werden wir einige dieser Hilfsmittel vorstellen. Es gibt Produkte, die sehbehinderte Menschen unterstützen und spezielle Trainings, die die Mobilität und Selbstständigkeit aufrechterhalten. Welche Hilfsmittel und Trainingsmethoden genutzt werden, wird im Einzelfall individuell entschieden. Nicht jede Sehbehinderung läuft gleich ab und Betroffene haben unterschiedliche Bedürfnisse und Ansprüche. Dabei gibt es auch keine Trennung von Hilfsmitteln für Blinde und Sehbehinderte.

Ein wichtiges Training und Hilfsmittel zugleich ist die Brailleschrift. Sehbehinderte Menschen müssen die Punkteschrift erlernen denn viele Hilfsmittel beruhen auf Nutzung der Brailleschrift.

Brailleschrift

1825 veränderte Louis Braille die Welt der Menschen mit Sehbehinderung, der Namensgeber erfand die Blindenschrift. Der selbst erblindete, 16-jährige Junge wollte eine Möglichkeit schaffen, Blinden das Lesen zu ermöglichen. Die Brailleschrift besteht aus den Kombinationen und Anordnungen von 6 Punkten.  Beispiel:

Brailleschrift
Brailleschrift für den Buchstaben „o“

Dabei sind die Punkte von links oben nach unten (1-3) und rechts oben nach unten (4-6) nummeriert.

Insgesamt umfasst das System 64 fühlbare Punktekombinationen (inklusive Leerzeichen).
Die einzelnen 26 Buchstaben des Alphabets bilden die Basisschrift und Lautgruppen, wie „sch“ und „ei“, ergänzen diese als Buchstabengruppen. Die Brailleschrift verläuft in Deutschland nach dem Prinzip der Kurzschrift. Die Kurzschrift versucht, die Wörter so kurz wie möglich zu schreiben, um Platz zu sparen und eine gute, schnell lesbare Variante zu bieten. Die 64 Zeichen sind international zu verwenden, haben in einigen Ländern sogar dieselbe Bedeutung, doch häufig kommt es je nach Sprache zu einer anderen Nutzung. Beispielsweise wird die deutsche Buchstabengruppe „ch“ (geschrieben aus den Punkten 1,4,5 und 6) in Deutschland als „ch“, in England als „th“ und in Frankreich als „o mit Zirkumflex Akzent“ verwendet.

Brailleschrift
Brailleschrift für die Buchstabengruppe“ch“

Die Punkte wurden damals einfach verkehrtherum in ein Blatt Papier gestochen (handschriftlich oder mit einer Schreibmaschine) und waren dann auf der einen Seite als Erhöhung deutlich fühlbar. Heutzutage gibt es Computer und Programme, die die Brailleschrift erkennen und eine Sprech- und Lesefunktion ermöglichen. Der Computer kann mit einer fühlbaren Braillezeile ausgestattet werden und ermöglicht das selbstständige Arbeiten an einem PC.

Das wichtigste Training ist das Mobilitätstraining,  speziell für Kinder gibt es eine Kinderfrühförderung und es gibt unterstützendes Training für lebenspraktische Fähigkeiten (kurz LPF).

Kinderfrühförderung:

Wenn Kinder blind auf die Welt kommen oder im Laufe der ersten Lebensjahre erblinden oder sehbehindert sind, hilft die Kinderfrühförderung dem betroffenen Kind und den Angehörigen mit der Situation und den sich ergebenden Besonderheiten umzugehen. Für die Entwicklung der Kinder kann die Sehbehinderung ein Risikofaktor sein, dem man mit Hilfe von besonderer Betreuung entgegenwirken sollte, vom Säuglingsalter bis zum Schuleintritt. Es gilt Entwicklungsverzögerungen zu vermeiden, das Kind in seiner Neugier und Fähigkeiten zu fördern und eine größtmögliche Normalität zu erlangen. Dazu werden in der gewohnten Umgebung des Kindes (Zuhause) verschiedene Spiel,- und Fördermethoden angewendet, das Selbstvertrauen gestärkt und die Eltern beraten.

Mobilitätstraining:

Orientierung und Mobilität sind Schwerpunkte des Mobilitätstrainings. Menschen mit Sehbehinderung sollen sich sicher und selbstständig bewegen, auch im Straßenverkehr und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Ein wichtiges Hilfsmittel für das Training ist der Langstock. In den ersten Stunden werden Blinde im Umgang mit dem Stock geschult. Zum Training gehört auch die Schulung der übrigen Sinne (Hören, Riechen und Tasten), zum Beispiel einzuschätzen von wo Autos an einer Kreuzung kommen und wie schnell sie fahren. Die Sinne sollen geschärft werden, um Eindrücke interpretieren und für die Orientierung nutzen zu können. Das Training wird individuell auf den Betroffenen angepasst. Während des Mobilitätstrainings werden Strategien und Taktiken entwickelt, wie man unabhängig die Wege des alltäglichen Lebens ohne eine sehende Begleitung meistern kann und sich auch in unbekannten Umgebungen orientieren kann. Ein weiterer Teil ist die Annahme und das direkte Fragen nach Hilfe.

LPF (Training lebenspraktischer Fähigkeiten):

Schon kleine Aufgaben des Alltags, wie eine Tasse Kaffee einschütten, können für einen Menschen mit Sehbehinderung zu einer fast unüberwindbaren Herausforderung werden. Für Aufgaben, die sehende Menschen ohne nachzudenken, schnell erledigen, erlernen sehbehinderte Menschen spezielle Handgriffe und lernen Vorrichtungen kennen, die sie in der Bewältigung der Aufgaben unterstützen. Dabei kann auf die verschiedensten Bereiche (Körperpflege, Ernährung, Haushalt, Nähen,  Reparaturen, Kommunikation, etc.) eingegangen werden. Häufig werden die verbliebenen Sinne verstärkt und zur Umsetzung genutzt. Zum Beispiel werden tastbare Erhöhungen (Klebepunkte) an die Gradzahlen des Ofens angebracht.

Hilfsmittel

Hilfsmittel gehen von den genannten Klebepunkten, über Notizrekordern bis hin zu speziellen Sprachlesegeräten.

Wichtigstes Hilfsmittel in Bezug auf die Mobilität ist der bereits erwähnte Langstock, auch Blindenstock oder weißer Stock genannt. Er funktioniert wie ein drittes Auge und zeigt Hindernisse und Stolperfallen auf. Die Länge ist abhängig von der Körpergröße und der Schrittlänge des Nutzers. Am Ende des Stocks befindet sich eine drehbare, bewegliche Spitze, die den Untergrund abtastet. Hindernisse, die im Schrittbereich des Betroffenen liegen werden so bemerkt. Der Stock wird aus dem Handgelenk von links nach rechts dirigiert und liegt dabei locker in der Hand. Um Umrisse von Hindernissen zu erkennen, kann der Stock tastenderweise an den Gegenstand herangeführt werden.

Bei noch verbleibender Sehfähigkeit kann einfach mit Kontrasten gearbeitet werden. Brillen und Lupen, mit Beleuchtung können zudem unterstützend wirken. Es gibt Lesegeräte, die geschriebenes vergrößern oder Sprachlesegeräte, die geschriebenes einscannen und als gesprochenes Wort wiedergeben. Diese Mittel helfen Im Alltag, zum Beispiel im Umgang mit der Post.

Farberkennungsgeräte sind ein weiteres nützliches Hilfsmittel im Alltag. Selbst wenn Blinde Menschen ihr Spiegelbild nicht sehen und meist keinen besonders hohen Wert auf Äußerlichkeiten legen, wissen Sie um die Wichtigkeit des ersten visuellen Eindrucks. Sie möchten gut aussehen und dazu gehört auch farblich passende Kleidung zu tragen. Das Gerät erkennt die Farbe und gibt diese sprachlich wieder. Auch beim Einkaufen von neuer Kleidung ist dieses Farberkennungsgerät eine nützliche Hilfe und man ist nicht auf die Hilfe von sehenden Menschen angewiesen.

Die Organisation des Alltags ist wichtig.

Im Haushalt und bei alltäglichen Dingen helfen Geräte mit Sprachausgabe, von der sprechenden Waage, sprechenden Messbechern über sprechende Uhren und sprechende Telefone sowie sprechende medizinische Geräte, wie ein sprechendes Blutdruckmessgerät.

Eigentlich alle Aufgaben des Alltags lassen sich mit Unterstützung der Hilfsmittel und des Trainings selbstständig bewältigen, man muss diese nur anders organisieren.

Die anderen Sinne (Sensitivität, Tastsinn und Hörvermögen) von sehbehinderten Menschen sind effizienter, der Fokus liegt nicht auf optischen Eindrücken, sondern auf den akustischen und haptischen Eindrücken. Blinde Menschen hören nicht besser, das Gehör ist nur besser trainiert und wird nicht durch visuelle Reize abgelenkt. Sehbehinderte konzentrieren und verlassen sich auf das ausgeprägte Sinnessystem, welches sie mit der Zeit entwickeln. Sie nehmen die Umwelt auf eine andere Art und Weise wahr.

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