Vorsorgevollmacht

Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht – Blogvisite Teil I

Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht – Blogvisite Teil I: Die Vorsorgevollmacht

So gut wie jeder sieht sich früher oder später mit dem Thema konfrontiert – sei es aufgrund einer eigenen Erkrankung oder Einschränkung oder weil ein Familienmitglied erkrankt oder pflegebedürftig wird: Eine Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht kann in vielen Fällen Sinn machen.
Spätestens bei der ersten Recherche zum Thema stellen sich aber verschiedene Fragen. Was ist bei der Anfertigung einer Patientenverfügung zu beachten? Was unterscheidet sie von einer Vorsorge- oder einer Betreuungsvollmacht? Da kann man als Laie schon mal den Überblick verlieren – gut, dass es Experten gibt, die Licht ins Dunkel bringen.
So wie Dr. med. Johannes Wunderlich, Chefarzt der Geriatrie im St.-Elisabeth-Krankenhaus Dortmund, der einmal mehr so freundlich ist, uns im Rahmen unserer „Blogvisite“ zu unterstützen und uns alles Wichtige zum Thema Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht zu erklären.

Totale Begriffsverwirrung?
Zunächst einmal gilt es, sich die verschiedenen Begrifflichkeiten genauer anzuschauen – Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung, … man kann schnell den Überblick verlieren über all die Vollmachten und Verfügungen, die wir heutzutage kennen. Wer sich mit dem Thema zum ersten Mal beschäftigt, sieht sich oft mit einer großen Begriffsverwirrung konfrontiert: Was ist eine Vorsorgevollmacht denn eigentlich? Ist sie dasselbe wie eine Patientenverfügung? Und ist die Patientenverfügung mit der Betreuungsverfügung gleichzusetzen?
Fangen wir mit der Vorsorgevollmacht an!

Warum eine Vorsorgevollmacht?
Für den Fall der Geschäftsunfähigkeit bzw. Einwilligungsunfähigkeit einer Person wird als selbständiger Akt im Voraus eine Vertrauensperson für bestimmte Bereiche bevollmächtigt – dies nennt man dann Vorsorgevollmacht. Aber wieso benötigt man überhaupt eine?

Im Falle der Vorsorgevollmacht ist es wichtig, sich zunächst mit gängigen Fragen und Vorurteilen zu beschäftigen. Gerade wenn es einem gut geht, fällt dies oft schwer. „Was soll mir denn schon passieren?“, werden manche sich selbst und anderen die Frage stellen, denn niemand beschäftigt sich gerne damit, was sein wird, wenn man einmal einen schweren Unfall hat oder derart erkrankt, dass man nicht mehr handlungs- bzw. geschäftsfähig ist. Vielleicht sagt man sich auch, dass die Angehörigen sich schon um alles kümmern werden, oder hat vielleicht gar keine Angehörigen mehr, die man damit betrauen kann, im Ernstfall die Entscheidungen zu treffen. Oder, apropos Entscheidungen, man setzt die Vorsorgevollmacht mit einer Entmündigung gleich, die einem jede Entscheidungsfreiheit nimmt und diese im schlimmsten Falle an fremde Personen weitergibt, die dann willkürlich entscheiden dürfen.

Diesen Vorurteilen und Meinungen gegenüber stehen wiederum andere Fragestellungen, mit denen sich jeder Mensch – gleich welchen Alters und unabhängig vom Gesundheitszustand – auseinandersetzen sollte. Etwa, wer einmal das Vermögen verwalten soll, wenn man es selbst nicht mehr schafft. Wer sucht einen Platz im Pflegeheim, wenn es an der Zeit ist, und wer übernimmt die diversen anderen organisatorischen Dinge des Alltags – und seien es banale Vorgänge wie die Kündigung der Wohnung oder des Telefons? Entscheidungen bei medizinischen Eingriffen müssen, so man denn selbst nicht mehr in der Lage dazu ist, nun einmal von jemandem getroffen werden.
Eine Patientenverfügung wird nicht zuletzt deswegen oft schon vom Hausarzt empfohlen und eben am besten frühzeitig angefertigt – nämlich, bevor irgendeine Art von Ernstfall eintritt.

Was regelt die Vorsorgevollmacht?
Eine Vorsorgevollmacht benennt eine bevollmächtigte Person, die im Namen einer anderen Person handelt, wenn diese aufgrund von Krankheit oder anderer Gründe nicht mehr in der Lage ist, selbst Entscheidungen zu treffen. Sie kann medizinische, finanzielle und persönliche Angelegenheiten umfassen.

Dabei regelt sie unter anderem:
• Gesundheitssorge
• Aufenthalts- und Wohnungsangelegenheiten
• Behördenanliegen
• Vermögenssorge
• Vertretung vor Gericht
• Anliegen des Post- und Fernmeldeverkehrs
Eine gesonderte „Bankvollmacht“ für alles Finanzielle dagegen ist dem Gesetz nach nicht erforderlich.

Vorsorgevollmacht erstellen – was ist zu beachten?
Für Vorsorgevollmachten gelten verschiedene Besonderheiten, die man beachten sollte, damit sie Gültigkeit besitzt. Die Vorsorgevollmacht erfordert immer die Schriftform – eine notarielle Beglaubigung ist dagegen per se nicht erforderlich. Gerade wenn erhebliche Vermögenswerte vorliegen, ist es aber zu empfehlen, einen Notar zurate zu ziehen. Der Vollmachtgeber muss zum Zeitpunkt der Beurkundung geschäftsfähig sein und „über seinen freien Willen verfügen“ – was, kurz gesprochen, schlichtweg bedeutet, dass er zu diesem Zeitpunkt ohne geistige Beeinträchtigung oder übermäßigen Einfluss Dritter handelt.

Es ist möglich, mehrere Personen als Bevollmächtigte einzusetzen. Diese können durchaus auch Freunde oder Nachbarn sein, man muss also nicht verpflichtend ein Familienmitglied einsetzen. Dabei ist zu beachten, dass auch Angehörige im Ernstfall nur im Besitz einer gültigen Vorsorgevollmacht handeln können! Der oder die Bevollmächtigte ist über den Aufbewahrungsort der Vorsorgevollmacht zu unterrichten – dies ist sicherlich selbstverständlich und im Sinne aller Beteiligten, wird jedoch gerne mal vergessen, was zu Problemen führen kann.
Aufgrund des Subsidiaritätsprinzips nach § 1896 ff. BGB macht die Vorsorgevollmacht die Einrichtung einer Betreuung überflüssig. Seit 2006 kann sie im Zentralen Vorsorgeregister (VR) der Bundesnotarkammer registriert werden. Neu seit 2013 ist der Zusatz „Ärztliche Zwangsmaßnahmen“. Das bedeutet, dass z. B. die Unterbringung in einer Psychiatrie ausdrücklich in der Vorsorgevollmacht vermerkt sein muss (§ 1906 Abs. 5 BGB). Die Vorsorgevollmacht kann jederzeit widerrufen oder geändert werden.

Falls Sie niemandem eine Vorsorgevollmacht erteilen möchten, können Sie dennoch bestimmen, wer im Bedarfsfall als Ihr Betreuer agieren soll und welche Handlungsanweisungen gelten sollen. In dieser sogenannten Betreuungsverfügung können auch Wünsche zur Lebensgestaltung im Betreuungsfall festgehalten werden. Obwohl der Betreuer weiterhin gerichtlich bestellt wird, ist das Gericht verpflichtet, sich an die Vorgaben in der Betreuungsverfügung zu halten. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass im Unterschied zur Vorsorgevollmacht die Betreuungsverfügung den Betreuer nicht dazu befugt, Sie in Rechtsgeschäften zu vertreten.

Nachteile und Grenzen der Vorsorgevollmacht
Die Vorsorgevollmacht bringt viele Vorteile mit sich – allerdings weist sie auch Nachteile auf und ihr sind naturgemäß gewisse Grenzen gesetzt.
Steht ein lebensbedrohlicher medizinischer Eingriff an oder soll eine als sinnvoll eingestufte medizinische Maßnahme abgelehnt werden, ist eine Zustimmung des Vormundschaftsgerichts erforderlich. Diese Auflage entfällt nur dann, wenn der Eingriff keinen Aufschub duldet oder Einigkeit zwischen behandelndem Arzt und Bevollmächtigtem besteht.

Man sollte sich zudem immer bewusst machen, dass man mit der Vollmacht einer anderen Person umfassende Befugnisse erteilt. Dies schließt auch Schenkungen an Dritte mit ein. Die Tauglichkeit und Redlichkeit der Person sollten daher vorher gut ab- und eingeschätzt werden

Wie bereits erwähnt, kann die Vorsorgevollmacht jederzeit widerrufen werden. Der Widerruf sollte sowohl dem Notar (falls vorhanden) als auch dem Bevollmächtigten zugeleitet werden. Es besteht Anspruch auf Rückgabe der schriftlichen Vorsorgevollmacht, um weiteren Missbrauch zu verhindern.

 

So weit rund ums Thema Vorsorgevollmacht – im nächsten Teil beschäftigen wir uns dann mit der Patientenverfügung und klären Fragen rund um dieses wichtige Schriftstück.

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