Schlaganfall

Der Schlaganfall aus Sicht eines Geriaters

Schlaganfall – immer ein Notfall! Im Rahmen unserer Blogvisite schildert uns Chefarzt Dr. Johannes Wunderlich heute Therapiemaßnahmen aus der Sicht des Mediziners.

Multidimensionale Therapie

Die Therapie nach einem erlittenen Schlaganfall ist multidimensional. Dies bedeutet, das alle an der Rehabilitation Beteiligten eng zusammen arbeiten und möglichst nach den gleichen Prinzipien. Das sogenannte Therapeutische Team besteht aus Ärzten, Krankengymnasten, Ergotherapeuten sowie Spezialisten aus den Bereichen aktivierende Pflege, Neuropsychologie und Sprachtherapie.

Grundsätzlich sollte die Festlegung von Therapiezielen nur im Sinne der Patienten erfolgen. Demnach ist es hierbei unerheblich, was bei dem betroffenen Patienten therapeutisch „noch herauszuholen“ wäre. Die Wünsche und Ziele des Patienten sind vorrangig.

Im Mittelpunkt der Ergotherapie steht die Wiedererlangung eigenständiger Handlungsfähigkeit und größtmöglicher Selbstständigkeit im Alltag. Nach einer Befunderhebung (Assessment) hinsichtlich Wahrnehmung, Kognition und motorisch-funktionellem Status erfolgt eine individuelle Einzel- und Gruppentherapie, in der auch das Hirnleistungstraining eine wichtige Rolle spielt. Um die Patienten in ihr häusliches Umfeld entlassen zu können, erfolgt die Rezeptierung von Hilfsmitteln in Absprache mit den Angehörigen und bedarfsweise auch nach erfolgtem Hausbesuch.

Bei der aktivierenden Pflege wird der Betroffene nach dem sogenannten „Bobath-Konzept“ behandelt. Im Gegensatz zur rein kompensatorischen Pflege, bei der dem Patienten alle komplexen Aufgaben und Tätigkeiten abgenommen werden, versucht die aktivierende Pflege, den Betroffenen Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten. Der Patient wird aktiv dazu animiert, sich zu bewegen, der Muskeltonus wird angeregt und damit verschüttete Verknüpfungsprozesse im Gehirn ausgelöst und verstärkt. Durch diese wiederkehrenden Aktivitäten werden Lernprozesse angeregt und intensiviert. Im Idealfall erreicht die aktivierende Pflege, dass der Patient auf bekannte Bewegungsabläufe zurückgreifen kann. Der Betroffene wird bei der Ausübung der Alltagstätigkeiten so geführt, dass er lernt, die beteiligten Körperregionen wieder selbst zu aktivieren. Bekannte Handlungsabläufe und Bewegungsmuster können auf diese Weise verfügbar gemacht werden.

Besonders geeignet für das Selbsthilfetraining nach Bobath sind demnach vertraute Handlungen wie das An- und Ausziehen, Essen und Trinken, Zahnpflege oder die Körperpflege.

Zeit ist kostbar!

Je früher die Physiotherapie begonnen wird, desto besser sind die Ergebnisse. Auf den sogenannten „stroke units“ erfolgt die Behandlung bereits innerhalb der ersten 24 Stunden, also auch an Wochenenden und Feiertagen. Die vom Schlaganfall betroffene Körperseite muss besonders gefordert und gefördert werden. Sämtliche Therapeuten und Angehörige sollten sich daher immer auf die betroffene Seite setzen und Verrichtungen von hier aus durchführen. Ungefähr 75 % aller Patienten mit Halbseitenlähmung werden wieder – selbständig oder mit Hilfe – gehfähig. Der größte Erfolg ist in den ersten 12 Wochen zu erzielen, darum darf in der Frühphase eines Schlaganfalls keine wertvolle Zeit verschenkt werden!

Weniger bekannte Folgen beachten!

Die Sprachtherapeuten (Logopäden) kümmern sich um die Sprach- und Sprechtherapie, aber auch um die Problematik der Schluckstörung. Letztere bleibt oft unbeachtet. Der häufig fallende Ausspruch „Aber der isst doch so gut!“ zeigt uns den Kern der Problematik auf: Betroffene Patienten essen zwar mit Appetit, allerdings kann es durch ein unbemerktes Verschlucken von ungeeigneten Nahrungsbestandteilen und Konsistenzen zu einem klinisch häufigen „stummen Verschlucken“ kommen. Damit einher geht die Gefahr von lebensbedrohlichen Lungenentzündungen. Durch eine individuelle Anpassung der Nahrungskonsistenz und das Wiedererlernen des Schluckaktes kann die Anlage einer Ernährungssonde dabei meist vermieden werden.

Die Neuropsychologie schließlich untersucht und behandelt psychische Störungen, die oft klinisch unbemerkt nach einem Schlaganfall auftreten können. Schwerpunkte bei geriatrischen Patienten sind Störungen der geistigen Leistungsbreite sowie Störungen des Verhaltens. Häufig zeigen sich nach einem Schlaganfall Aufmerksamkeitsstörungen und eine Herabsetzung der Gedächtnisleistung sowie des räumlich-visuellen Darstellungsvermögens. Gespräche zur Krankheitsverarbeitung und psychotherapeutische Interventionen sind wichtige Bestandteile der Behandlung. Auch die Feststellung und Behandlung einer reaktiven depressiven Episode (also eine Depression in Reaktion auf die durch den Schlaganfall ausgelöste Belastungssituation) gehören zum Aufgabenbereich der Neuropsychologie.

Entscheidend für die langfristige Prognose des Patienten sind der frühzeitige und gemeinsame Einsatz aller notwendigen Therapeuten zur frühen Akutrehabilitation sowie das Ausloten weiterer Rehabilitationsmöglichkeiten.

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