Führerschein im Alter

„Meinen Lappen gebe ich nicht ab!“ – Fahreignung im Alter

Des Deutschen liebstes Kind ist auch im Jahr 2025 oftmals noch immer sein Auto. Kein Wunder: Für viele Menschen, nicht nur aus älteren Generationen, ist es noch immer der Inbegriff von Freiheit, Unabhängigkeit und quasi-uneingeschränkter Mobilität. Dass man sich diese Freiheit gerade im Alter nicht nehmen lassen möchten, insbesondere wenn alternative Fortbewegungsoptionen nicht hinreichend bekannt (oder gar unerwünscht) sind und die körperliche Leistungsfähigkeit spürbar nachlässt, ist verständlich.

Eine offizielle Altersgrenze für den Führerschein gibt es dabei hierzulande ohnehin nicht – ebenso wenig existiert eine obligatorische Überprüfung der Fahrtauglichkeit oder droht gar der Entzug der Fahrerlaubnis ab einem bestimmten Alter. Stattdessen setzt man auf die Eigenverantwortung der an die 10 Millionen Menschen über 65, die in Deutschland in Besitz eines Führescheins sind.

Über das Für und Wider von Verboten, Tests und Co. ist bereits viel geschrieben und diskutiert werden. Abseits der rechtlichen Rahmenbedingungen muss aber doch die Frage gestattet sein: Wann ist das sprichwörtliche Ende der Strecke erreicht? Wann wird ein Fahrzeugführer, der altersbedingt sein Automobil nicht mehr sicher durch den Straßenverkehr bewegen kann, zur Gefahr für sich und andere? Was können Familie und Freunde ggfs. tun und wie stelle ich vielleicht am besten selbst sicher, dass ich möglichst lange sicher fahre und im Fall des Falles erkenne, wann es genug ist?

In unserer Blogvisite beschäftigt sich Dr. Johannes Wunderlich, Chefarzt der Geriatrie im St. Elisabeth Krankenhaus in Dortmund-Kurl, heute mit genau diesem Thema.

 

Begriffsdefinition Fahreignung

Fangen wir einmal von vorne an. Was bedeutet „Fahreignung“ überhaupt – gibt es eine genaue Definition für diesen Begriff? Die Antwort fällt ebenso kurz wie ernüchternd aus: Der Begriff „Fahreignung“ ist nicht einheitlich definiert. Vielmehr handelt es sich um einen sogenannten „unbestimmten Rechtsbegriff“. Paragraph 2, Absatz 4 der Fahrerlaubnisverordnung besagt lediglich, dass zum Führen eines Kraftfahrzeugs geeignet ist, wer die notwendigen körperlichen oder geistigen Anforderungen erfüllt und wer nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen hat.

Allein die Tatsache, dass jemand ein gewisses Lebensalter überschritten hat, ist selbstverständlich noch lange kein Grund dafür, jemandem den Führerschein zu entziehen. Viel wichtiger als das Alter an sich sind Gesundheitszustand und natürlich auch die Fahrerfahrung. Sehkraft, Hörvermögen und Reaktionsfähigkeit lassen im Alter nach, auch Erkrankungen oder die Einnahme bestimmter Medikamente können die Fahrtüchtigkeit beeinflussen. Krankheiten wie Schwerhörigkeit, grauer Star, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder eben Demenz sind Indikatoren dafür, dass man ärztlichen Rat einholen sollte, um sicherzugehen, dass man auch weiterhin sicher am Steuer unterwegs ist.

 

Was sagen Statistiken zum Thema Alter und Autofahren?

Die höchste Fahrleistung in Kilometern haben Autofahrende laut von Statista im Jahr 2024 erhobenen Daten im Lebensalter zwischen 40 und 49 Jahren. Ab dem 60. Lebensjahr nimmt die Fahrleistung ab, sinkt von an die 12.000 km auf etwa 9400 km jährlich.

Schaut man sich Daten des statistischen Bundesamtes zum Fehlverhalten von Pkw-Fahrerinnen und -Fahrern bei Straßenverkehrsunfällen aus dem Jahr 2022 an, fällt auf, dass Fahrzeugführer über 65 in Sachen Abbiegen, Wenden oder Rückwärtsfahren häufiger Fehlverhalten zeigen, ebenso bei Vorfahrtsbelangen oder beim falschen Verhalten gegenüber Fußgängern. Dafür fallen sie im Gegensatz weit seltener durch Alkoholmissbrauch am Steuer auf, halten eher genügend Abstand und achten auf die Einhaltung von Geschwindigkeitsbegrenzungen.

Vorfahrtsverletzungen, Auffahrunfälle, ein Verlassen von z. B. Ausfahrten ohne auf den fließenden Verkehr zu achten sind ebenso typische Verkehrsdelikte älterer Fahrerinnen und Fahrer wie Fahrfehler bei Spurwechseln oder das Übersehen von Verkehrszeichen. Auch fällt es älteren Menschen oft schwer, kritische Situationen bei hoher Verkehrsdichte zu beurteilen. Schlechte Sicht bei Nachtfahrten beeinflusst ihr Verhalten im Verkehr ebenso mehr als es bei jüngeren Fahrerinnen und Fahrern der Fall wäre.

Dennoch lässt sich sagen: Die absolute Zahl an Verkehrsunfällen nimmt mit dem Alter kontinuierlich ab. Die relative Zahl an Verkehrsunfällen bezogen auf die jährliche Kilometerleistung nimmt dagegen ab dem 75. Lebensjahr stark zu, erreicht aber nie mehr das Niveau der 18- bis 24-jährigen. Dabei haben Senioren mit hoher Jahresfahrleistung eine geringere kilometerbezogene Unfallrate, da sie in Übung bleiben. Eine Mindestfahrleistung von 3.000 km ist in der Regel – sofern denn alle wichtigen sonstigen Voraussetzungen für eine Fahrtüchtigkeit vorhanden sind – wünschenswert, um die Routine zu behalten.

Unfälle als Radfahrer oder Fußgänger nehmen zwar im Alter deutlich zu. Allerdings ist die Fremdgefährdung als „Geisterfahrer“ im Automobil natürlich in der öffentlichen Wahrnehmung weit spektakulärer als z. B. die Eigengefährdung als Radfahrer oder Fußgänger. Derlei Schlagzeilen erreichen dadurch medial eine starke Aufmerksamkeit und bleiben in Erinnerung, auch wenn nach wie vor gilt, dass gerade Fahranfängerinnen und Fahranfänger ein deutlich höheres Unfallrisiko haben als Senioren.

Das Unfallrisiko bei frühen Stadien der Demenz fällt im Übrigen nicht höher aus als bei anderen Autofahrern. Insbesondere die Verkehrserfahrung älterer Fahrzeugführer kann kognitive Defizite noch sehr lange kompensieren. Anpassungsprozesse, die das Unfallrisiko mindern – Kompensationsstrategien wie „Snailing“ (also langsames Fahren), die Vermeidung von Nachtfahrten oder das vermehrte Verlassen auf einen Beifahrer als unterstützenden Copiloten – leisten hierzu ihren Beitrag.

Es gibt bislang keine statistisch alarmierende Häufung von Verkehrsunfällen durch Demenzkranke. Übrigens: Circa fünfzig Prozent der Patienten stellen das Autofahren in den folgenden drei Jahren freiwillig ein.

 

Kompensationsstrategien

Wenn man merkt, dass man sein Fahrzeug nicht mehr so gut und sicher beherrscht wie früher und die Fahrten nicht mehr so mühelos gelingen wie noch vor ein paar Jahren, kann man verschiedene Kompensationsstrategien anwenden, um entgegenzuwirken. Diese Verhaltensweise wird häufig bei älteren Fahrern beobachtet, die hierdurch ihre nachlassende Leistungsfähigkeit auszugleichen versuchen.

Oft wir dabei einfach das Fahrzeug seltener genutzt. Auch kommt die Vermeidung von Stoßzeiten vor, unbekannte Routen oder Nachtfahrten werden gemieden, um schlechte Sicht oder unübersichtliche, komplexe Situationen zu vermeiden. Man fährt darüber hinaus oft langsamer und kürzere Strecken. Häufig werden auch längere Fahrpausen eingelegt. Fahrten unter Alkohol werden – nicht nur für ältere Menschen eine gute Idee! – vermieden, ebenso verzichtet man darauf, während der Fahrt Musik zu hören oder Nahrung zu sich zu nehmen.

All dies sind probate Mittel, um trotz nachlassender Leistungsfähigkeit möglichst sicher im Straßenverkehr unterwegs zu sein.

 

Fahrtüchtigkeit unter Medikamenteneinfluss

Dass mit fortschreitendem Lebensalter Reaktions- und Wahrnehmungsfähigkeit immer mehr beeinträchtigt werden, ist das eine. Klar ist: Die Fähigkeiten körperlicher Wahrnehmung nehmen mit zunehmendem Alter in etwa linear ab. Dies steht im Gegensatz zur eher stufenweisen Abnahme geistiger Funktionen. Problematisch wird es aber insbesondere, wenn die Fahrtüchtigkeit im Alter durch eingenommene Medikamente beeinflusst wird.

Statistisch nimmt jeder Patient über 60 Jahren drei Medikamente regelmäßig oder „fest“ ein. Dabei haben auch frei verkäufliche Medikamente, darunter diverse Schlaf- und Hustenmittel, oft erhebliche Nebenwirkungen, welche die Fahrtüchtigkeit beeinflussen können.

Eine Gewöhnung ist gerade bei Schlafmitteln, aber auch bei Schmerzmitteln sowie krampflösenden Medikamenten möglich. Während der Aufdosierung (also der schrittweisen Erhöhung der Medikamentengabe) von Morphinen besteht beispielsweise keine stabile Fahreignung.

Bei Medikamenteneinnahme gibt es immer einige wichtige Punkte zu beachten: Handelt es sich um eine Erst- oder eine Dauermedikation? Wie sieht die Wirkdauer des Medikaments aus? Gibt es eine Begleitmedikation, bei der sich Haus- und Facharzt absprechen sollten?

Insbesondere bei Behandlungsbeginn oder Änderung der Dosis ist dabei Vorsicht geboten: Im Zweifel sollte man sich erst hinters Steuer setzen, wenn man die Auswirkungen und Nebeneffekte der Medikation bzw. der höheren Dosis sicher einschätzen kann. Bei der Einnahme von Diazepamen, Morphinen oder Antidepressiva in Verbindung mit Alkohol gilt dabei: Diese Kombination sorgt in jedem Fall für eine Fahruntüchtigkeit. Lassen Sie das Auto stehen.

 

Fahrtüchtigkeit und ärztliche Beratung

Auch aus Arztperspektive stellen sich natürlich einige Fragen: Berate ich als behandelnder Arzt meine geriatrischen Patienten anlassfrei zum Thema Autofahren? Beurteile ich sie regelmäßig bezüglich ihrer Fahreignung? Gibt es ggfs. Risikopatienten, die ich schon mal auf den Verzicht auf das Autofahren angesprochen habe? Und falls ein derartiges ärztliches Aufklärungsgespräch stattgefunden hat: Wurde es in Anwesenheit von Angehörigen geführt und entsprechend dokumentiert?

Eine befürwortende und rechtsverbindliche Verurteilung kann dabei in jedem Falle nur über eine zuständige Fahrerlaubnisbehörde erstellt werden. Informelle Abklärungen der Fahreignung können auch durch eine MPU-Stelle wie TÜV oder DEKRA durchgeführt werden. Auch ein Privatgutachten durch einen Facharzt mit entsprechender „verkehrsmedizinischer Qualifikation“ ist möglich. Darüber hinaus bieten einige Fahrschulen eine Fahrverhaltensprobe sowie Fahrtrainings mit einem Fahrlehrer an. So kann in jedem Fall ein Beitrag für die persönliche Entscheidungsfindung gefunden werden, sollte man (oder sollten vielleicht Angehörige) an der eigenen Fahreignung zweifeln. Wichtig zu beachten ist dabei natürlich, dass eine informelle Abklärung einer Fahreignung nicht rechtsverbindlich sein kann.

 

Empfehlungen für ältere und demente Fahrer

Was also tun? Wie können konkrete Empfehlungen aussehen?

Fahr-Fitness-Check bei Fahrt im eigenen Auto. Wichtig zu beachten ist, dass der Fitness-Check keine Fahreignungsprüfung ist und nicht die ärztliche Beratung ersetzt. Der ADAC oder andere Verkehrsorganisationen verfügen über entsprechende Angebote.

Dabei sind in anderen Ländern regelmäßige Tests dieser Art üblich und teils sogar verpflichtend. So müssen beispielsweise in der Schweiz Personen ab 75 Jahren alle zwei Jahre eine verkehrsmedizinische Kontrolluntersuchung absolvieren, um den Führerschein zu behalten. Dies ist Tei der gesetzlichen Pflicht zur Sicherung der Fahrtauglichkeit ist. Auch in den Niederlanden (ab 70 Jahren), Schweden (ab 70 Jahren) und Dänemark (ab 80 Jahren) sind solche Tests verpflichtend – in Portugal sogar bereits ab einem Lebensalter von 50 Jahren. Untersuchungen können dabei aus einem Sehtest, einem medizinischen Check, einem Fahrtest oder auch direkt einem Demenzcheck bestehen. Je nachdem, wie der Test ausfällt, kann bei Feststellung einer Fahruntüchtigkeit die Fahrerlaubnis entzogen werden.

Um Mobilität zu erhalten und gleichzeitig eine möglichst hohe Sicherheit im Straßenverkehr sicherzustellen, empfehlen sich folgende Maßnahmen:

  • Unbedingt die Medikation auf Fahrtüchtigkeit überprüfen. Fragen Sie im Zweifel immer Ihren behandelnden Arzt, ob Medikamente die Fahreignung beeinträchtigen können.
  • Brille und Hörgerät benutzen. Diese Hilfsmittel nützen nichts, wenn sie ungenutzt auf dem Nachttisch liegen.
  • Auch, wenn es selbstverständlich erscheint: Verzichten Sie auf Alkohol vor und vor allem während der Fahrt.
  • Nachtfahrten sowie Fahrten bei extremer Witterung sollten vermieden werden. Die Sicht ist schlecht, die Verkehrssituation oft besonders schwer zu überblicken und bei z. B. Glattreis drohen zusätzliche Herausforderungen für den Fahrer.
  • Achten Sie auf eine gute Routenplanung sowie darauf, dass Sie zur optimalen Tageszeit unterwegs sind. Navigationsgeräte bieten zusätzliche Unterstützung.
  • Assistenzsysteme wie Spurhalteassistent, Notbremsassistent, Müdigkeitserkennung oder Rückfahrkamera, die gerade in vielen Neuwagen zum Standard gehören, sind als Unterstützung sehr sinnvoll und sollten aktiviert werden (bzw. bleiben).

Wir wünschen allzeit gute Fahrt – passen Sie auf sich auf!

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